Viele Unternehmen investieren viel Zeit und Geld in Farbmessgeräte und Software, lassen jedoch außer Acht, welche Rolle die Lichtverhältnisse bei der Lieferfreigabe ihrer Produkte spielen.
Bei sachgemäßer Verwendung können Spektralfotometer und Farbmanagement-Software Ihnen sagen, ob die Farben innerhalb des Toleranzbereichs liegen, und Glanz und Metamerie-Effekte (siehe Erklärung zu Metamerie unten) berücksichtigen. Trotzdem ist es noch möglich, dass Sie unzulängliche Teile ausliefern, die nach der Montage oder bei Eintreffen im Verkaufsregal oder im privaten oder beruflichen Umfeld des Kunden nicht richtig aussehen. An irgendeinem Punkt in der Lieferkette sollte jemand diese Teile – nebeneinander und unter verschiedenen Lichtquellen – visuell begutachten, um sicherzustellen, dass sie versandfertig sind.
Bei der sachgemäßen visuellen Begutachtung wird berücksichtigt, wie das betreffende Produkt nach der Montage an jedem nur denkbaren Ort aussehen wird. Eine Lichtkabine kann Farben vor dem Kauf unter Kaufhauslicht sowie unter anderen Lichtbedingungen simulieren, die in ihrer endgültigen Umgebung möglicherweise vorhanden sind. So müssen Teppichhersteller beispielsweise wissen, wie ihre Produkte im Verkaufsraum sowie unter Glühlampen-, Warmweiß-Leuchtstofflampen- und LED-Lampenlicht, das in privaten Wohnumgebungen zunehmend anzutreffen ist, aussehen werden.
Wenn ein Fertigerzeugnis aus mehreren Materialien besteht, kann eine Lichtkabine dafür sorgen, dass die Farbharmonie zwischen den einzelnen Komponenten unter allen Lichtbedingungen gewahrt bleibt. Eine Lichtkabine sollte verwendet werden, um die Einhaltung der Farbtoleranzen zu prüfen und sicherzustellen, dass das betreffende Objekt keine physischen Mängel aufweist.
Heute beschäftigen wir uns mit der Farbwissenschaft und den Gründen, warum eine Lichtkabine ein notwendiger Bestandteil jedes Workflows zur Farbbeurteilung ist.
Weiß ist nicht gleich Weiß.
Da wir nicht alle Farben sehen können, die Weiß ergeben, gehen wir tendenziell davon aus, dass weißes Licht nur weißes Licht ist. Das stimmt aber nicht.
Tatsächlich besteht weißes Licht aus allen Farben im sichtbaren Spektrum – Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo und Violett. Unterschiedliche Lichtquellen haben unterschiedliche Anteile dieser Farben, was sich auf die von uns wahrgenommene Farbe der von ihnen beleuchteten Objekte auswirkt. Wenn Sie beispielsweise blaue Teile unter einem Wolframfaden in einer Glühbirne begutachten, werden Sie kleine Farbverschiebungen nicht erkennen können, weil dieser Birnentyp nicht viel Lichtenergie im blauen Bereich des Spektrums erzeugt.
Lösung: Begutachten Sie Ihre Farben unter jeder nur denkbaren Lichtquelle, um sicherzustellen, dass sie akzeptabel aussehen.
Achten Sie auf Ablenkungen.
Unsere Augen haben sich daran gewöhnt, Farben so zu „sehen“, wie sie unserer Meinung nach aussehen sollten. Denken Sie an einen Apfel. Ganz gleich, wo Sie ihn sehen, ist er rot. Doch draußen um 15 Uhr nachmittags wird er weitaus leuchtender rot aussehen als in der Küche bei Dämmerung. Für unsere Augen macht das keinen Unterschied. Wir sehen immer noch, dass der Apfel rot ist. Auch die Umgebungsfarben können unsere Augen ablenken. Wenn Sie sich diesen roten Apfel in einer gelben Theke ansehen, dann sieht er eher orange aus, als wenn Sie ihn vor einem grauen Hintergrund betrachten.
Lösung: Abmusterungskabinen sind in Munsell-Grau (N7 oder N8 je nach Branche) gestrichen, weil Sie dadurch das von Ihnen betrachtete Objekt von anderen Ablenkungen isolieren können, damit sich Ihr Auge ohne Ablenkung auf die zu erledigende Aufgabe konzentrieren kann.
Tageslicht ist nicht konstant.
Unsere Augen haben sich an die Farbbetrachtung unter Sonnenlicht gewöhnt. Tageslicht erzeugt zahlreiche Farben, wodurch sich kleine Farbtonunterschiede einfach erkennen lassen. Es hat die richtigen Anteile von Wellenlängen für natürliches Aussehen.
Der Nachteil jedoch ist, dass die Sonne nicht immer scheint und dass sich die Farbanteile des Sonnenlichts ständig ändern. Tageslicht um 12 Uhr mittags sieht im Sommer anders aus als im Winter, an einem bewölkten Tag anders als an einem sonnigen Tag und es sieht sogar je nach geografischem Standort anders aus. Das Licht bei Sonnenaufgang an einem klaren Tag hat mehr gelbe und rote Farbanteile; nachmittags überwiegen die blauen Farbanteile. Selbst bei gleichen Witterungsverhältnissen sieht Tageslicht in Paris ganz anders aus als in New York am selben Tag und zur selben Uhrzeit.
Lösung: Verlassen Sie sich auf die standardisierten Tageslichtbedingungen einer Lichtkabine, nicht auf das Licht, das durch Ihr Bürofenster fällt.
Optische Aufheller sind tatsächlich unsichtbar.
Viele Produkte enthalten optische Aufheller, damit sie heller aussehen. Optische Aufheller sind Farbstoffe, die Licht im ultravioletten und violetten Bereich des elektromagnetischen Spektrums absorbieren und als blaues Licht wieder abstrahlen. Ein erstaunlicher Trick! Viele Produkte – angefangen von Stoffen bis zu Waschmitteln und Papier – enthalten optische Aufheller.
Normlichtarten sorgen für objektive Beurteilung.
Zur objektiven Beurteilung hat die internationale Organisation CIE (Commission internationale de l’éclairage; Internationale Beleuchtungskommission) Normlichtarten festgelegt. Diese als Kurven der spektralen Strahlungsverteilung bezeichneten Standards definieren die Wellenlängen verschiedenster Lichtquellen.
Manche Tageslichtarten basieren auf der spektralen Strahlungsverteilung der Sonne bei Erreichung bestimmter Positionen am Himmel. Normalerweise kommt in der grafischen Industrie z. B. die Lichtart D50 zur Beschreibung von Tageslicht zur Mittagszeit zum Einsatz. In der Textilindustrie und anderen Industriezweigen ist D65 gang und gäbe. Die als „Horizont“ (HOR) bezeichnete Lichtart simuliert die Lichtbedingungen bei Sonnenaufgang und -untergang. Normiert hat die CIE auch das Licht von Wolfram-, Halogen- und mehreren Arten von Leuchtstofflampen. Beispielsweise entspricht F2 dem Licht von Kaltweiß-Leuchtstofflampen, die häufig in Kaufhäusern anzutreffen sind.
Lösung: Nutzen Sie die Einstellungen für die spektrale Verteilung in Ihrer Lichtkabine, um alle denkbaren Lichtquellen für Ihr Produkt zu simulieren.
Metamerie ist ein kniffliges Phänomen.
Metamerie ist ein optisches Phänomen, bei dem zwei Proben unter einer bestimmten Lichtquelle identisch, unter einer anderen jedoch nicht identisch aussehen. Ein großartiges Beispiel dafür ist Ihre Kleidung. Bei Verlassen Ihrer schwach beleuchteten häuslichen Umgebung sehen Ihre beiden blauen Socken für Sie gleich aus. Doch im Sonnenlicht stellen Sie fest, dass ein Socken tatsächlich schwarz ist.
Lösung: Nochmals, Sie sollten Ihre Produkte (ja vielleicht sogar Ihre Socken!) unter verschiedenen Lichtquellen betrachten, um sicherzustellen, dass sie (farblich) immer noch übereinstimmen.
Die korrelierte Farbtemperatur ist nur bedingt aussagekräftig.
Wenn Sie Ihre Kunden um die Angabe der zur Farbmusterung zu verwendenden Lichtquelle bitten, nennen sie Ihnen stattdessen u. U. die korrelierte Farbtemperatur der Lichtquelle. Lichtquellen mit niedrigerer Farbtemperatur haben in der Regel einen höheren Anteil von roten und gelben Wellenlängen, während Lichtquellen mit höherer Farbtemperatur einen größeren Anteil von blauem Licht haben. Allerdings kann die Farbe eines Objekts, das mittags durch Tageslicht mit gemessenen 5.000 K beleuchtet wird, ganz anders aussehen als bei der Beleuchtung mit einer künstlichen Lichtquelle bei 5.000 K.
Für sich genommen kann die Farbtemperatur für die Farbwahrnehmung trügerisch sein, weil sie nur eine Teilbeschreibung der Lampe bzw. Lichtquelle ist. Spektrale Verteilungskurven bieten eine weitaus bessere, vollständige Beschreibung einer Lichtquelle. Da zwei Lampen mit derselben Farbtemperatur sehr unterschiedliche spektrale Verteilungskurven haben können, kann ein und dasselbe Objekt sehr unterschiedlich aussehen. Die Farbtemperatur gibt nur eine sehr grobe Schätzung der sichtbaren Farbanteile, die in weißem Licht enthalten sind – ganz bestimmt jedoch nicht den notwendigen präzisen Wert zur Vorhersage, wie die Farben wahrgenommen werden.
Lösung: Nach Möglichkeit sollten Sie nach den spektralen Verteilungskurven fragen, aber zumindest sicherstellen, dass Sie und Ihr Kunde dieselbe Sprache sprechen.
Der Farbwiedergabeindex sagt nur die Farbwahrnehmung voraus.
Der Farbwiedergabeindex (CRI; Color Rendering Index) ist eine Kennzahl zur Beschreibung der Fähigkeit einer Lichtquelle zur originalgetreuen Wiedergabe der Farbe eines Objekts gegenüber der Standard-Lichtquelle. Der CRI wird angegeben als Ra-Wert zwischen Null und 100, wobei Null keiner Farbwiedergabe und 100 perfekter Farbwiedergabe entspricht. Problematisch ist, dass die Lichtquelle nicht angegeben ist. Ein hoher Ra-Wert von 90 besagt nur, dass die Lampe Farben zu 90 % ebenso gut wie eine Standard-Lichtquelle wiedergibt, jedoch nicht, ob es sich bei der Standard-Lichtquelle um Glühlampen- oder Tageslicht handelt.
Lösung: Wie die Farbtemperatur gibt der CRI eine unvollständige Beschreibung einer Lichtquelle, den Kunden u. U. jedoch heranziehen möchten. Sie sollten also auf der Hut sein.
Achten Sie auf die Lux-Zahl.
Lux und Foot-Candle sind Maßeinheiten für die Beleuchtungsstärke in einem definierten Bereich. Laut Definition entspricht ein Lux einem Lumen pro Quadratmeter. In einem typischen Büro liegt die Beleuchtungsstärke bei 320 bis 500 Lux, wohingegen direktes Sonnenlicht an einem klaren Tag möglicherweise 100.000 Lux hat. Laut Definition entspricht ein Foot-Candle einem Lumen auf einer Fläche von einem Quadratfuß, wobei ein Foot-Candle der Beleuchtungsstärke von ca. 10,8 Lux entspricht.
Obwohl für die von X-Rite’s SpectraLight QCLux-Einstellungen angegeben sind, fehlt diese Angabe bei den meisten Lichtkabinen. Dann müssen Sie u. U. ein Lichtmessgerät zur Ermittlung der Beleuchtungsstärke (Lux-Zahl oder Foot-Candles) verwenden, mit der eine Probe beleuchtet wird, und Ihre Testbeleuchtung entsprechend anpassen.
Lösung: Fragen Sie Ihre Kunden nach der einfallenden Lichtmenge, die zur Beleuchtung heller, mittlerer und dunkler Proben verwendet werden sollte, und legen Sie Best Practices dafür fest.
Sie sollten die Industriestandards Ihrer Branche kennen.
Neben Standard-Lichtbedingungen hat die ISO auch Normen für die Probenbeleuchtung zur visuellen Beurteilung entwickelt. ISO 3664 wurde für die Fotografie und die grafische Industrie entwickelt, während ISO 23603 größtenteils für Hersteller entwickelt wurde.
Lösung: Verwenden Sie ISO-Standards als verlässliche Grundlage für Ihr Programm zur visuellen Farbabmusterung.
Lassen Sie sich von Experten helfen.
Oberflächlich betrachtet scheint die visuelle Farbbeurteilung eine einfache Angelegenheit zu sein, ist in Wahrheit aber sehr wissenschaftlich und kompliziert. Wenn Sie Produkte zur Zufriedenheit Ihrer Kunden herstellen und liefern möchten, benötigen Sie einen Prozess zur visuellen Abmusterung mit einer Lichtkabine.
Weitere Informationen zur Verwendung Ihrer Lichtkabine finden Sie unter 10 Tipps zur visuellen Farbbeurteilung.