Zur Farbsteuerung muss man in der Lage sein, sehr kleine Farbunterschiede zu vergleichen, ihre Auswirkung zu ermitteln und zu verstehen, wie man mit dieser Auswirkung umgeht. In dieser Blogreihe haben wir uns bereits mit der Geschichte der Farbanalyse und der Bedeutung von Licht bei der Toleranzberechnung befasst. In diesem Blog erläutern wir den Unterschied zwischen einem Farbraum und einer Farbtoleranz und stellen die gängigsten Methoden vor.
Farbräume
Ein Farbraum gibt uns die Möglichkeit zur Farbkommunikation. So wie man jeden Standort auf unserem Planeten Erde anhand seiner geografischen Koordinaten – Längen- und Breitengrad und Höhe – ermitteln kann, so lässt sich auch jede Farbe im Farbraum lokalisieren.
Nachstehend werden die zwei gängigsten Farbräume vorgestellt.
L*a*b*, auch CIELab oder LAB-Farbmodell genannt
In den 1940er Jahren entwickelte Richard Hunter ein Tristimulus-Farbmodell (Lab) – eine Farbskala mit fast einheitlichen Abständen der wahrgenommenen Farbunterschiede.
Die L-Achse stellt die Unterschiede der dunklen Farben gegenüber helleren Pastellfarben in Werten von 0 bis 100 dar, wobei 100 absolutes Weiß und 0 absolutes Schwarz ist. Die Koordinaten a und b stellen die Hauptfarbachsen dar, wobei positive Werte auf der a-Achse für Rot und negative Werte für Grün stehen. Positive Werte auf der b-Achse stehen für Gelb und negative Werte für Blau. Die Zwischenfarbtöne liegen zwischen den Hauptfarben Rot, Gelb, Grün und Blau.
Obwohl Hunters Lab-Farbraum als De-facto-Modell für die Darstellung absoluter Farbkoordinaten und der Farbunterschiede galt, wurde er nie offiziell als internationaler Standard akzeptiert. 31 Jahre später veröffentlichte die CIE (Commission Internationale de l‘Eclairage; internationale Beleuchtungskommission) eine aktualisierte Version des Lab-Farbmodells von Hunter: CIELab oder L*a*b*. Bei einigen Anwendungen und Geräten heißt es einfach nur L, A, B oder Lab.
Bei CIELab ist der Farbraum in Form eines Gitters mit allen Farben dargestellt, die das menschliche Auge sehen kann. Mit nur geringfügigen Änderungen an der ursprünglichen mathematischen Formel von Hunter ist diese neue Darstellung inzwischen die empfohlene und international anerkannte Methode zur Kommunikation von Farbwerten.
L*C*h-Farbraum (auch CIELCH genannt)
Bei diesem Modell steht L für Lightness (Helligkeit), C für Chroma (Sättigung) und H für Hue (Farbton). Hue bewegt sich kreisförmig um den „Äquator“ zur Beschreibung der Farbfamilie – Rot, Gelb, Grün und Blau – und aller dazwischen liegenden Farben. Die Zahlenwerte im Hue-Kreis reichen von Null bis 360 Grad. Sie beginnen mit Rot bei 0°und bewegen sich gegen den Uhrzeigersinn durch Gelb, Grün, Blau, dann wieder zurück zu Rot.
Die L-Achse beschreibt die Farbhelligkeit. Durch den Vergleich der Werte lassen sich Farben als hell oder dunkel klassifizieren. Wie beim L*a*b*-Modell gilt: Hellere Farben haben einen höheren Wert. Die C-Achse stellt die Sättigung dar. Niedrigere Zahlenwerte nahe dem Mittelpunkt entsprechen matteren und graueren Farben, wohingegen höhere Zahlenwerte außen reineren, kräftigeren und stärker gesättigten Farben entsprechen.
Farbtoleranzen
Wenn sich zwei Farben im Farbraum darstellen lassen, kann man den Abstand zwischen ihnen berechnen. Die Toleranz ist eine Beurteilung des Farbabstands (Delta) von einem bekannten Standard. Um beim Vergleich zum Planeten Erde zu bleiben, entspricht die Berechnung der Toleranz zwischen zwei Farben der Ermittlung der Entfernung zwischen zwei Städten auf einer Landkarte.
Obwohl es viele verschiedene Methoden zur Toleranzberechnung gibt, funktionieren alle mehr oder weniger nach dem gleichen Prinzip – vergleichbar mit der Wahl des Transportmittels zwischen zwei Städten: Sie können zu Fuß gehen, fahren oder fliegen. Alle drei (Transport-) Mittel bringen Sie zum Ziel – nur jeweils nach einer etwas anderen Methode.
Nachfolgend sind einige der gängigen Toleranzmethoden beschrieben.
Delta L*a*b* (auch CIELab bzw. LAB genannt)
Zur Toleranzermittlung in Delta L*a*b* muss man zuerst einen Differenzgrenzwert für L* (∆L*, d. h. Helligkeit), a* (∆a*, d. h. Rot/Gün) und b* (∆b*, d. h. Gelb/Blau) definieren. Diese Grenzwerte erzeugen einen rechteckigen Toleranzrahmen um den Standard. Bei diesem Beispiel ist die Zielfarbe ein relativ dunkler (42,65) grünlich/blauer Farbton. Da a* und b* negativ sind, befindet er sich im grünen/blauen Quadranten.
Als nächstes legt man einen Grenzwert für den zulässigen Farbunterschied fest. Diese Abbildung zeigt eine Toleranz von jeweils einer Einheit für L*, a* und b*, die einen Rahmen um die Zielfarbe erzeugt. Nach der Toleranzfestlegung ist jede Probenmessung zulässig, die innerhalb des Rahmens liegt. Proben, die außerhalb des Rahmens liegen, werden abgelehnt.
In diesem Diagramm ist die zulässige Toleranz als Quadrat und die visuell akzeptierte Farbe als Ellipsoid dargestellt. Sie können das Problem erkennen: Ein Toleranzrahmen um das Ellipsoid kann zu positiven Zahlenwerten für inakzeptable Farben führen. Doch wenn der von Ihnen erstellte Toleranzrahmen klein genug ist, damit er in das Ellipsoid passt, können sich negative Zahlenwerte für visuell akzeptable Farben ergeben.
Das Farbmodell Delta L*a*b* ist recht willkürlich, weil es die Art unserer Farbwahrnehmung, -beschreibung und -kommunikation nicht wirklich erfasst. Wir Menschen können zwar das Element Hell-Dunkel gut kommunizieren, haben allerdings Schwierigkeiten bei der Beschreibung von Rot-Grün und Blau-Gelb.
DE* = CIELab Delta E
Delta E ist der Gesamtabstand bzw. die Gesamtdifferenz zwischen zwei Farben. Um bei unserem Beispiel Erde zu bleiben, ist Delta E die gesamte Entfernung zwischen zwei Städten.
Delta L*C*h° (auch CIELCH genannt)
Die Toleranzermittlung in Delta L*C*h° unterscheidet sich kaum von der Toleranzermittlung in Delta L*a*b*. Eine Farbe kann sich auf der L-Achse nach oben oder unten bewegen, also stärker oder weniger stark gesättigt sein, und sich im Farbton (Hue) im oder gegen den Uhrzeigersinn bewegen. Bei Delta L*C*h° ist die zulässige Toleranz Delta L, Delta C und Delta H anstelle von Delta L, Delta A und Delta B.
Die Abbildungen unten zeigen den gleichen bläulichen/grünen Punkt auf der gleichen Farbebene. Doch hier wird die Farbe anhand der Delta L*C*h-Terminologie ermittelt. Es wurden die gleichen Grenzwerte wie bei Delta L*a*b* angegeben, wobei der zulässige Farbtoleranzbereich hier jedoch in Bezug auf Helligkeit, Farbton und Sättigung festgelegt ist.
Können Sie sich noch erinnern, dass die L*a*b*-Toleranzen eine würfelartige Form ergeben? Zur Korrelation mit der menschlichen Farbwahrnehmung erzeugt Delta L*C*h° eher eine Scheibe als einen Würfel um die Zielfarbe. Das Farbmodell Delta L*C*h° ist zwar intuitiver; die meisten Spezifikationen erfordern jedoch Messungen in Delta L*a*b*. Tatsächlich lässt sich das Modell in heutigen Geräten und Softwareprogrammen leicht ändern.
DECMC = Delta E CMC
Die Toleranzmethode Delta E CMC basiert auf Delta L*C*h°, bietet jedoch eine bessere Übereinstimmung zwischen der visuellen Beurteilung und dem gemessenen Farbabstand. Die CMC-Berechnung definiert ein Ellipsoid um die Standardfarbe, wobei die Halbachse Farbton, Sättigung und Helligkeit entspricht. Das Ellipsoid stellt die akzeptable Farbmenge dar. Seine Größe und Form ändern sich automatisch je nach der Position der Farbe im Farbraum.
Wie Sie erkennen können, sind die Ellipsoide im orangefarbenen Bereich des Farbraums länger und schmaler als die breiteren und runderen Ellipsoide im grünen Bereich. Die Größe und Form der Ellipsoide ändern sich auch je nach Sättigung und/oder Helligkeit der Farbe.
Mithilfe der CMC-Gleichung lässt sich die gesamte Größe des Ellipsoids besser darauf abstimmen, was visuell akzeptabel ist. Durch Änderung des kommerziellen Faktors (kurz cf aus dem Englischen commercial factor) lässt sich das Ellipsoid nach Bedarf so vergrößern oder verkleinern, dass es der visuellen Akzeptanz entspricht.
Da größere Helligkeitsunterschiede (l) für das Auge im Allgemeinen eher akzeptabel sind als Unterschiede bei der Sättigung (c), wird 2:1 als Standardverhältnis für l:c angesehen. Ein Verhältnis von 2:1 lässt einen zweimal so großen Unterschied bei der Helligkeit im Vergleich zur Sättigung zu. Auf Basis der CMC-Gleichung lässt sich dieses Verhältnis anpassen, um die visuelle Akzeptanz zu verbessern.
DE94 = Delta E 94
1994 führte die CIE eine neue Toleranzmethode namens CIE94 ein. Wie CMC erzeugt auch diese Toleranzmethode ein Ellipsoid. Allerdings können Sie das Verhältnis zwischen Helligkeit (kL) und Sättigung (Kc) sowie den kommerziellen Faktor (cf) steuern. Diese Einstellungen wirken sich auf die Größe und Form des Ellipsoids aus – ähnlich, wie sich die Einstellungen l:c und cf beim CMC-Verfahren auswirken.
Doch während CMC für den Einsatz in der Textilindustrie gedacht ist, kommt CIE94 eher in der Farben- und Lackindustrie zum Einsatz. Sie sollten die Art der zu messenden Oberfläche bei der Auswahl dieser beiden Toleranzmethoden berücksichtigen. Ist die Oberfläche strukturiert oder unregelmäßig, ist CMC vermutlich am besten geeignet. Ist die Oberfläche glatt und regelmäßig, ist CIE94 vermutlich besser geeignet.
DE00 = Delta E 2000
Heute bietet die Formel für Delta E 2000 die modernste mathematische Berechnung und die beste Übereinstimmung mit dem menschlichen Auge. Obwohl sie das bei DE94 vorhandene Helligkeitsproblem löst, ist sie nicht fehlerfrei – vor allem beim Vergleich von Farbtönen, die sich in einem Winkel von 180° voneinander befinden.
Entscheidung für die richtige Methode
Obwohl kein Farbtoleranzsystem perfekt ist, stellen die Formeln CMC und DE2000 die vom menschlichen Auge wahrgenommenen Farbabstände am besten dar. Bei der Entscheidung über die anzuwendende Methode sollten Sie die folgenden fünf Regeln von Billmeyer (1970 und 1979) berücksichtigen:
- Entscheiden Sie sich für eine einheitlich anzuwendende Berechnungsmethode.
- Geben Sie immer genau an, wie die Berechnungen vorgenommen werden.
- Versuchen Sie nie, die nach unterschiedlichen Gleichungen berechneten Farbabstände durch die Verwendung von Durchschnittsfaktoren umzurechnen.
- Verwenden Sie berechnete Farbabstände nur als erste Näherungswerte bei Toleranzeinstellungen, bis sie durch die visuelle Farbabmusterung bestätigt werden können.
- Denken Sie stets daran, dass Farben nicht aufgrund von Zahlen akzeptiert oder abgelehnt werden. Es kommt auf ihre Wirkung an.
Weitere Informationen zur Toleranzberechnung finden Sie in anderen Blogs zu diesem Thema. Oder sprechen Sie mit einem unserer Farbexperten, der Ihnen bei der Auswahl der für Ihre Anforderungen am besten geeigneten Methode helfen kann.
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